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Expedition ins Reich der Kaimane

Sie sind die perfekten Killermaschinen. Älter, als alle anderen Lebewesen dieser Erde, hatten sie es nie nötig, sich weiter zu entwickeln. An schattigen Flussufern harren sie geduldig stundenlang aus, verschwenden kein Kalorien, bis sie ein lohnenswertes, schmackhaftes Opfer erspähen. Dann setzen sie sich blitzartig in Bewegung, schießen pfeilschnell durchs Wasser, packen mit ihren langen Reißzähnen zu und zerren ihr Objekt der Begierde in die dunkle Tiefe des Flusses hinab – bis es ertrinkt. Doch Frischfleisch schmeckt den Kaimanen nicht. Auf einem Stein oder einer Baumwurzel lassen sie ihre Beute ein paar Tage saften, bis sie vom Wasser aufgeschwemmt ist. Erst dann wird sie verspeist.

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Das Amazonasbecken, ein flußreiches Tiefland, überzogen von dichtem Regenwald aber auch geprägt von weitläufigen Sümpfen, feuchten Savannen und Buschland, bietet den Kaimanen einen idealen Lebensraum. Eine Expedition in ihr Reich, war ein „Muss“ auf unserer (1) „To-Do-Liste“.
Um von La Paz, unserem Ausgangspunkt, ins Land der Kaimane zu gelangen, hatten wir uns einen abenteuerlichen Plan zurecht gelegt: La Paz, Boliviens größte Stadt, liegt auf dem Altiplano, einer von zwei riesigen Andenketten eingeschlossenen Hochebene. Zuerst galt es also die nördliche Cordillera (4700 m) zu überwinden, um dann durch die Yungas, eine Übergangszone, ins feuchte Tiefland zu gelangen. Diesen Abschnitt wollten wir mit Fahrrädern zurücklegen. Auf der Rückseite der Anden erwartete uns dichter Regenwald, welchen wir mit einem Boot auf dem River Beni durchqueren wollten. Von der kleinen Stadt Rurrenabaque aus, sollte uns ein weiteres Boot in die Pampas des Madidi-Nationalparks, und damit ins Land der Kaimane bringen. In Rurrenabaque gibt es einen Flughafen, von welchem wir uns einen Rückflug nach La Paz versprachen. Soweit der Plan. Fahrräder, Boote, Guides, Unterkunft im Sumpfland und Flugtickets waren einfach in La Paz zu buchen. Das Unterfangen schien perfekt geplant und so verließen wir den bolivianischen Regierungssitz am 5. Januar frohen Mutes und voller Erwartungen auf das, was da auf uns zukommen mochte.
Ein Minibus brachte uns, und einige andere Down-Hill-Versessene, auf den höchsten Punkt der nördlichen Cordillera und das erste Abenteuer der Expedition nahm seinen Lauf. Inmitten einer gewaltigen Landschaft stürzt sich die von Wasserfällen überflutete, so genannte „Death Road“ über 45 km in die Tiefe und überwindet dabei einen Höhenunterschied von 3500 m. Für viele ist sie die gefährlichste Straße der Welt, nicht zuletzt, weil es hier die meisten tödlichen Unfälle pro Jahr gibt (durchschnittlich sind es über 100). Die Straße selbst ist äußerst schmal, schlammig, rutschig und von tiefen Spurrillen durchzogen. Doch wirklich gefährlich wird sie erst durch die Fahrer, die auf ihr unterwegs sind: Freizeitkrieger, Macho-Busfahrer und unerfahrene Touristen. Doch wir gaben acht, genossen eine überwältigende Aussicht auf die Yungas und das fließende Adrenalin.

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Nach unserer Ankunft im Tal erfrischten wir uns in dem hellblauen Pool eines nahe liegenden Hostels. Die Nacht verbrachten wir in Coroico, einem malerisch schönen Örtchen, dass sich an die Hänge des Cerro Uchumachi schmiegt. Auf dem Marktplatz des bunten Dörfchens versammelten sich gen Abend dutzende Einwohner, darunter auch viele Kinder. Man tratschte, aß und spielte. Und obwohl es offensichtlich ein ganz normaler Abend eines Wochentages war, hatten wir den Eindruck man hielt Fiesta. Es war wunderbar.
Der nächste Morgen begann mit einem leichten Schock. Eine Gruppe partygeiler Australier hatte offensichtlich das gleiche Boot gebucht, wie Nicola und ich. Angeführt wurde die Bande von einer Göre namens Loren, deren zentralen Reiseutensilien aus Kokain und Schlaftabletten bestanden. Um sich gescharrt hatte sie sechs halbnackte Busch-Boys, die ihre Männlichkeit durch kontinuierlichen Bier- und Haschkonsum zu beweisen suchten. Die Halbstarken wiederum wurden von einem belgischen Zicklein, dass sich Hannah nannte, verfolgt. Ihrer Intelligenz suchte sie durch Sprüche wie „Fahren wir in den Dschungel? Ist es da warm? Gibt es da etwa Mücken?“ Ausdruck zu verleihen. Zur Belustigung trug sie lediglich bei, als sie rief:“Ieh! Eine Spinne!“. Und zu diesem Zeitpunkt hatte sie die anderen hundert Exemplare noch nicht gesehen, die sie umkreisten. Auch ihre deutsche Zofe überraschte hin und wieder mit Bemerkungen wie: „Von Bolivien bin ich irgendwie enttäuscht. Die Menschen hier sind gar nicht so arm, wie ich dachte. In Laos und Kambodscha hat es mir wirklich besser gefallen.“. Nun, drei Tage waren wir mit diesem Volk auf einem Boot gefangen. Zum Teil fühlte es sich an, wie in einem Käfig voller Affen. Zu keiner Zeit gaben sie Ruhe, den Dschungel würdigten sie mit keinem Blick. „We just got a jackpot.“, fasste mein französischer Freund Nicola es trocken zusammen. Zumindest seine seine Kommentare brachten mich ab und zu zum Schmunzeln: „I at ör“ (2) – in leiser Erwiderung auf Hannas Geistesblitze – kam bei mir besonders gut an.

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Von diesen unglücklichen Umständen abgesehen, verlebten wir in diesen Tagen sehr erlebnisreiche und beglückende Stunden. Allein die Bootsfahrt auf dem River Beni war äußerst eindrucksvoll und spannend. Die Ufer waren gesäumt von Bäumen, Büschen und anderem grünen Bewuchs. Ab und zu passierten wir alte Goldminen. Die meisten von ihnen waren geschlossen. Vor 30 Jahren hatten hier etwa 50.000 Schürfer ihr Glück versucht. Heute riskieren noch einige Tausend ihr Leben, um pro Tag etwa ein halbes Gramm Goldstaub auszuwaschen. Die „Reicheren“ unter ihnen schieben einen kleinen Kahn, ausgerüstet mit Pumpe und Sonnenschirm, vor sich her. Die „Ärmeren“ halten nur ein Sieb in den Händen. Allen gemeinsam sind die tödlichen Bedrohungen durch Stingray, Electric Eel, Piranhas und Federland Snake.

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Doch nicht nur der Fluss, sondern auch der Dschungel steckt für die hier Lebenden voller Gefahren. Mehrmals täglich suchte unser Guide Ivon uns davon zu überzeugen, wir legten an und unternahmen Wanderungen durch das tiefe Dickicht des Regenwaldes. Und während wir uns gleich am ersten Tag in einem paradiesisch schönen Wasserfall erfrischten, erklärte uns Ivon, dass in dem Gewässer Fische – so genannte Candirus – lebten, die Schmerzen im Unterleib verursachen könnten. Sie wären in der Lage, einem Urinstrahl entgegen zu schwimmen, um sich im Harnleiter festzubeißen. Gruselige Geschichte, doch hielt sie die Aussis natürlich nicht davon ab, es auszuprobieren. Inbrünstig drückten Nicola und ich die Daumen… doch leider geschah nichts.

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Auch über die Flora und Fauna des Dschungels lernten wir bei diesen Ausflügen eine Menge. Wir sahen den Siringal (Goma Tree), aus dem Kleber gewonnen wird. Und wir erfuhren etwas über den Bi Bossi (Bonsai Fikus), den Big Boss des Dschungells, dessen Wurzeln wie Mauern aus der Erde ragen.

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Verläuft sich ein Regenwaldbewohner des Nachts, so schlägt er mit einem harten Gegenstand gegen die Wurzeln, die ein weit schallendes Echo auslösen. So kann er gefunden werden. Wir bestaunten den Chonta, auch genannt „Walking Tree“, dessen Wurzeln mit Dornen gespickt sind und wie Beine abstehen.

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Wird man von einem Jaguar oder einer Herde wilder Schweine – diese leben in Rudeln von bis zu 200 Exemplaren zusammen – verfolgt, kann man zwischen ihnen Schutz finden. Besonders Abstand waren sollte man vom Palo Diablo, dem Teufelsbaum. In seinem Inneren leben Feuerarmeisen, von denen 40 Bisse zum Tode führen können. Als besonders Nützlich können sich Termitennester erweisen. Verbrennt man sie, so kann ihr Rauch helfen, Fleischwunden zu schließen oder auch Moskitos zu verscheuchen. Als besonders schön empfand ich die Blüten des Heliconia pendula, des bolivianischen Nationalbaums. Seine rot-gelb-grünen Triebe kann man sich an die Nase heften, um auszusehen wie ein Papagei.

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Durch die lehrreichen Ausflüge nahm das dichte Grün des Dschungel Konturen an. Ich begann die Pflanzen zu unterscheiden, wieder zu erkennen und mich auf eine gewisse Art „zurechtzufinden“.

Ein Gefühl, das mich aber bereits vom ersten Schritt auf dem Boden des Regenwaldes begleitete, welches nicht wachsen musste und von kontinuierlich gleicher Intensität blieb, war die Empfindung tiefen Respekts, eine gewisse Art Ehrfurcht, die wir Europäer gewöhnlich dem Meer oder großen Bergen entgegen bringen. In diesem Zusammenhang machte Ivon eine bemerkung, die mich aufhorchen ließ: „„Its nothing, compare to the dschungel.“. Zu dieser Feststellung war er im letzten Jahr gekommen. Um zu sehen, wovon die Westler so schwärmen, hatte er die Küste Chiles besucht.

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Auf unseren Wanderungen konnte ich sehen, wie sich Leben und Tod begegneten. Der Boden wird beherrscht von Armeen von Ameisen, verschiedenster Größen und Farben, die einen bei lebendigem Leibe wegtragen. Kein Blatt, kein Strauch auf dem nicht eine Spinne, ein Schmetterling, eine Raupe oder ein anderes Insekt lauert. Die Baumwipfel sind bevölkert von bunten Vögeln. In den Lianen tummeln sich gelbe, blaue und schwarze Affen.

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Und mit dieser Aufzählung fasse ich nur das Getier zusammen, das man auf den ersten Blick zusehen bekommt. Der Dschungel ist eine gewaltige Humusmaschine. Allen Orten sprießt, gedeiht und erblüht es, um an gleicher Stelle zu welken, zu sterben und wieder zu zergehen. Und bereits nach kurzer Zeit fühlte ich mich als Teil dieses Kreislaufes. Durch das waten durch einige tiefe Flüsse war meine lange Hose nass geworden, ich hatte auf Kurz gewechselt und Sandmücken hatten dies als willkommene Einladung angesehen. Binnen weniger Stunden waren meine Waden übersät von tausenden, kleinen Bissen. Haut schien kaum noch übrig zu sein. Immer mehr fühlte ich mich eins mit dem Dschungel und mein Verstand trällerte in höchsten Tönen, dass ich dieses Gebiet schleunigst zu verlassen habe. Doch zwei weitere Tage hatte ich noch zu überleben.

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Die Nächte schlief ich in meinem eigens mitgebrachten, kleinen Gossamer-Zelt. Komfortabler Weise lässt sich das Dach dieses textilischen Wunderwerkes abrollen, so dass ich vor dem Einschlafen nach oben in ein prächtiges Himmelszelt und um mich herum in die Augen tausender, mich anstarrender Urwaldbewohner blicken konnte. Eine überwältigende Geräuschkulisse, ein Fiepen und ein Brummen, ein Summen und Pfeifen, ein Zirpen und Gurren, ein Säuseln und Grummen wiegte mich in den Schlaf: eine Symphonie, die ich nie vergessen werde.
Vor dem Schlafengehen hatte Ivon uns davor gewarnt, unsere Kleider ausserhalb des Zeltes zu lassen. Motten würden ihre Eier darin ablegen, aus denen später Würmer unter unsere Haut kriechen würden. Zwei dieser Motten fand ich in am ersten Morgen in meinem Zelt. Seit dem untersuche ich meinen Körper abends gründlich. Vor allem unter meinen Füßen juckt es beträchtlich. Wurmartige Spuren sind aber noch nicht auszumachen.
Neben dem Juckreiz steigerten auch Schwüle und Hitze das Verlangen wieder vom Menschen beherrschten Boden zu betreten und so erreichten wir, recht erleichtert das kleine bolivianische Dorf Rurrenabaque. „Laundry Nr. One“ reinigte und trocknete unsere Wäsche an nur einem Tag, das Hostel Santa Anna bot eine heiße Dusche, in der Mosquito-Bar gab es ein leckeres Steak zu essen und so starteten wir regeneriert die dritte Phase unserer abenteuerlichen Exkursion ins Reich der Kaimane. (3)
Rurrenabaque verließen wir wieder mit einem Boot, diesmal leisteten uns drei Bolivianer, ein tugendhaft, fürsorglicher Vater sowie seine zwei Söhne, Gesellschaft. Die Gespräche waren geistreich, gaben Aufschluss über die bolivianische Mittelschicht und förderten meine Spanischkenntnisse. Alle Drei waren höflich, herzlich und äußerst interessiert – mit Nicolas Worten: ein Jackpot der zufriedenstellenden Art.
Nilo, unser neuer Guide brachte uns, drei Stunden den Yakuma River hinab, in eine Öko-Lodge ganz einfacher Bauweise. Lediglich Moskitonetze spannten diese Stelzenkonstruktion auf. Und direkt am Flussufer gelegen, konnten wir zwischen den Planken Kaimane watscheln sehen. Bereits auf der Fahrt durch die Pampas hatten wir dutzende von ihnen zu Gesicht bekommen. Hier waren wir endlich im Kaiman-Country angekommen. Und bereits in der ersten Nacht stand ein spektakulärer Ausflug an. Kaimane sind nachtaktiv und so bot sich uns die Möglichkeit, die Biester jagen zu sehen. Ein schauriges Unterfangen, aber deshalb waren wir ja her gekommen. Auch die Bolivianer versuchten sich nichts anmerken zu lassen, aber mulmig war uns allen.

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Kaum hatten wir abgelegt, da blitzten auch schon im Schein unserer Taschenlampen überall rote Augenpaare auf. Der Bootsrand hob sich nur knapp über die Wasseroberfläche und so begegneten wir den Reptilien fast auf Augenhöhe. Nicola klapperte – ich behaupte mal aus Anspannung – mit den Zähnen. Doch Nilo lenkte unser Boot ruhig und souverän den Fluss hinab. Plötzlich raschelte es im Gebüsch am Ufer. Was war das? Nilo wollte es wissen, wir nicht unbedingt. Doch in der Hoffnung, uns etwas spektakuläres Zeigen zu können, steuerte er unser Boot direkt aufs Ufer zu. Und nicht nur das! Wir stachen sogar mit dem Bug mitten in das raschelnde Gebüsch hinein! Hatte ich schon erwähnt, dass ich ganz vorne saß? Mir wurde Angst und Bange. Von meiner Indienreise her erinnerte ich mich an Hinweisschilder, auf denen springende Krokodile abgebildet waren. Was, wenn so ein Kaiman nun direkt in unser Boot hüpfte? Höflich und doch bestimmt bat ich Nilo zu wenden. Und in diesem Moment rumpelte es auch schon unter unserem Boot. Wir waren quer auf einen Kaiman aufgefahren und dieser versuchte nun aufzutauchen. Nun wurde auch Nicola Angst und Bange und er klammerte sich an meinen Campingstuhl, völlig vergessend, dass dieser nicht am Boot befestigt war. Das Boot wackelte, mein Stuhl wackelte, nur beide nicht im selben Takt. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich bereits im Wasser kraulen, nach Luft schnappend und in der schwarzen Tiefe des Flusses verschwinden. Gott sei Dank kam es anders. Nilo gelang es das Boot in Richtung Flussmitte zu bewegen und dem Kaiman, sich aus der Klemme zwischen Boot und Ufer zu befreien. Was für ein Glück! Des Lebens froh kehrten wir in unsere Lodge zurück.
Am nächsten Morgen war „Fishing“ angesagt, genauer gesagt „Piranha-Fishing“. Nilo brachte uns in einen Flussarm von geringer Strömung, wir spießten Fleischstückchen auf Angelhaken, warfen die Leinen aus und los ging es! Der großartige Unterschied zwischen Piranha-Angeln und „normalem“ Angeln besteht nämlich darin, dass man fürs Piranha-Angeln keine Geduld braucht! Kaum sinkt der Köder ins Wasser, beginnen die Fischchen auch schon zu beißen. Allerdings sind sie dabei so raffiniert und schnell, dass sie in wenigen Sekunden ein daumengroßes Stück verspeisen können. Wenn man seine Zeit also nicht damit verbringen will, kontinuierlich den Haken mit Fleisch zu bestücken, ihn auszuwerfen und wieder einzuholen – sondern auch einen Piranha fangen möchte, so muss man die Leine eher genau zum richtigen Zeitpunkt wieder einholen. Piranha-Fishing ist also eher ein Geschicklichkeitsspiel… Nun bin ich mit Geschicklichkeit nicht gerade gesegnet, mache aber gerne Fotos. Und just als mir die Lust am Haken-Rein-Haken-Raus-Spiel verging – ich hatte die Leine nur noch ganz lapidar über meinem linken Arm hängen und versuchte mit der Rechten ein Foto zu schießen – da biß so ein kleiner Fleischfresser an.

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…ein unheimliches faszinierendes Tierchen. Wie wir später erfuhren hat so ein Exemplar einem der Australier in wenigen Sekunden einen halben Finger abgefressen, als dieser versuchte ihm einen Zahn auszubrechen. Wir entließen den Knirps, nach dem kurzen Knippsen eines Fotos, natürlich wieder in die flüssige Freiheit.

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Am Nachmittag stand Bird-Watching auf dem Programm, eine Sportart die mich bis dahin nicht so angezogen hatte. Doch in den Pampas des Madidi-Nationalparks wurde mir klar, wie eindrucksvoll auch diese Freizeitbeschäftigung sein kann. Nilo lenkte unser Boot in verschiedene Flussarme, in welche schien ziemlich egal zu sein. Bäume und Sträucher waren gepunktet mit großen und kleinen, bunten Federwesen.

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Wir sahen Exemplare des White Nacked Theron, Kiskadee Flycatcher, Kingfisher (Eisvögel), Greata Ani (Tukan), Arow, Rufecent Tiger Theron und viele viele Cerere. Unser Boot wurde begleitet von einem Schwarm pinkfarbener Delphine (Pink Dolphins), auf Baumwurzeln ruhten dutzende Schildkröten (Tortuga Swat) und in den Büschen am Flussufer tummelten sich gelbe Affen (Yellow Monkey/ Screwer Monkey). Außerdem beobachteten wir Kapibare. Sie gelten als die größten lebenden Nagetiere der Erde.

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Am Abend waren wir gesättigt von den neuen Beobachtungen und Eindrücken. Leise ließen wir den Tag in der Sunsetbar, einer weiteren Holzkonstruktion am Fluss, bei einem guten Wein ausklingen.
Viele faszinierende Tiere hatten wir bereits zu Gesicht bekommen, ein besonderes fehlte uns aber noch. Ebenfalls beheimatet im Madidi-Nationalpark sind Anakondas. Anakonda-Watching lautete also der Marschbefehl am nächsten Morgen. Und wenn ich auch wenig für Schlangen übrig habe, noch weniger konnte ich mich diesem viel versprechenden Ausflug entziehen. Anakondas werden bis zu 5 m lang und bilden damit die größte Schlangenart, die der Madidi zu bieten hat. Um ein solches Tier zu sehen, muss man sich zu Fuß durch die Sümpfe der Pampas begeben. Nilo stellte uns also Gummistiefel bereit, die wir dann auch versuchten anzuziehen. Nicola hatte dabei so gleich Erfolg, doch mein rechter Stiefel, obwohl er Größe 42 auswies, schien mir nicht zu passen. Für einen Moment versuchte ich meinen Fuß hinein zu pressen, dann drehte ich den Stiefel um. Ich klopfte, doch nichts geschah. Dann spähte ich hinein und da entdeckte ich das „Problem“: ein riesiges Exemplar einer Tarantula, mindestens Faustgroß, hatte es sich darin gemütlich gemacht. Der Schock saß tief. Und auf einen 5 m langen Abkömmling einer Anakonda zu treffen, hatte ich plötzlich so gar keine Lust mehr.

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Dennoch ließ ich mich nicht Bitten und schloß mich dem Anakonda-Suchtrupp an. Allerdings blieb ich Nilo immer dicht auf den Fersen. Mehrere Stunden streiften wir sodann durch das Gelände, fündig wurden wir nicht. Dennoch war der Spaziergang von Spannung geprägt, konnte man doch eine Anakonda hinter jedem Grasbüschel vermuten. Und so kehrten wir ohne Enttäuschung zu unserer Lodge zurück. Am Abend brachte uns Nilo wieder nach Rurrenabaque, wir genossen die letzte entspannte Bootsfahrt und nahmen Abschied von Kaimanen, Schildkröten und Delphinen. Ein paar unglaublich Tage lagen hinter uns.
Laut Plan sollte uns am nächsten Morgen ein Flugzeug zurück nach La Paz bringen. Um unseren Flug zu bestätigen, fanden wir uns im Büro der zuständigen Fluggesellschaft ein. Leichtfertig wurden wir mit einem: „Fragen Sie um Elf nochmal nach.“ abgefertigt. Ok, es war Regenzeit und da die Landebahn Rurrenabaques nur aus einer Graswiese bestand, waren wir auf diese Antwort vorbereitet. Wir begaben uns also auf die Suche nach einem Jeep samt Fahrer, wurden auch bald durch eine Travel-Agency fündig und kehrten um Punkt Elf zurück. „Fragen sie um 14 Uhr nochmal nach.“, lautete der gelangweilte Kommentar der Angestellten. Schnell waren vier weitere, verzweifelte Fluggäste gefunden. Wir cancelten die Flugtickets. Die Miete des Jeeps + Fahrer durch 6 geteilt kamen wir auf den gleichen Preis, wie ein Flugticket. Lediglich der zeitliche Unterschied (Flug = 45 min / Fahrt = 12 h) trübte unsere Stimmung ein wenig. Dennoch sprangen wir froh gelaunt in das fesche 4-Rad-Mobil. Lautstark malten wir uns unsere Ankunft in La Paz aus, „heiß Duschen“ wurden mehrfach erwähnt und es wurde wieder einmal deutlich, wie sehr wir doch an den zivilisatorischen Wundern unserer Zeit hingen. Doch was folgte, nämlich eine wilde Reise durch die Nacht, hatte sich keiner ausgemalt. Bereits zwei Stunden nach Fahrtbeginn, mir war, als hätten wir das Dörfchen gerade erst verlassen, murrte unser Fahrer, mit dem Auto sei etwas nicht in Ordnung. Er stieg aus, lief um das Gefährt herum, klopfte gegen die Räder und entschied, er könne uns nicht weiter bringen. Dann telefonierte er und kurze Zeit später hielt auch schon ein Taxi an. Gut, dachte ich, ein Taxi. Doch was war mit dem versprochenen 4-Rad-Antrieb? Schließlich bewegten wir uns auf einer Schotterpiste und kurz vor La Paz hatten wir noch die Death Road zu meistern! Zum Murren blieb mir aber nicht viel Zeit und so fanden wir uns als bald in einem gewöhnlichen Personenkraftwagen wieder. Nun, wie sich heraus stellte, war der Fahrer eigentlich Straßenarbeiter. Das Gefährt hatte er sich nur mal „geborgt“, um ein wenig Geld nebenbei zu verdienen. Auf meine Frage, wie weit es denn nach La Paz sei, wusste er nur zu antworten: „Puh! Weit! Nach la Paz ist es weit!“. Das er uns nicht bis zum bolivianischen Regierungssitz bringen würde, war ihm offensichtlich schon in diesem Moment klar. Nun, um es kurz zu machen: auf den folgenden 452 km wechselten wir unser Fahrzeug noch viele Male. Bei jedem Wechsel wurde das Bündel Geldscheine, das von Fahrer zu Fahrer gereicht wurde, kleiner, ebenso wie die Fahrzeuge mit denen wir uns fortbewegten.. In einem Dschungeldorf verbrachten wir fast eine Stunde auf der Suche nach Benzin. Fündig wurde unser Fahrer schließlich, als er einen Unfallwagen etwa 2 km vor dem Örtchen im Straßengraben entdeckte. Unser letzter Fahrer machte uns und sich besonderen Mut als er in Coroiko, dem Nestchen zu Beginn der „Death Road“, noch zwei Dosen Cuba-Libre hinunter kippte. Als wir den Ortseingang von La Paz früh morgens um fünf endlich erreichten, hatte ihn dieser offensichtlich auch noch nicht verlassen. Frech bot er uns an, doch jetzt auszusteigen, der Deal wäre hiermit erfüllt. Mürrisch zahlten wir ihm weitere 20 Pesos, damit er uns noch ins Stadtzentrum brachte. Für diese Nacht war ich bedient und unser erkorenes Hostel voll belegt. Weitere zwei Stunden irrte ich mit Nicola durch die dunklen Straßen von La Paz, auf der Suche nach einem freien Bett. Als die Sonne aufging, hatten wir endlich Erfolg. Nun, auch das kann Reisen also sein: nämlich furchtbar anstrengend!

(1) Akira, unser japanischer Freund, hatte unser Trio aus Zeitgründen bereits am 3. Januar verlassen. Es war der schmerzvollste Abschied seit Beginn meiner Reise. In Gedanken begleitet er Nicola und mich noch bis heute.
(2) Auf englisch: „I hate her“.
(3) Lieber Uli! Hab vielen Dank für Deine Tips! Wie Du siehst, bin ich ihnen gefolgt…!

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One Response

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  1. David says

    haha, donmink!! good story!! 🙂