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Wahlen in Kolumbien – Es geht ums Land!

Als eine der negativsten Folgen der Escobar-Ära kann die Entstehung der paramilitärischen Gruppen angesehen werden. Escobar verdiente sein Geld nicht nur mit Kokain, sondern auch mit dem Handel von Waffen. Er unterhielt zahlreiche Trainigscamps in denen er seine Privatarmeen von amerikanischen und israelischen Spezialtrainern ausbilden ließ. Aus vielen der meist minderjährigen, sogenannten Sicarios (Auftragskiller), die für Escobar arbeiteten, wurden später paramilitärische Milizen (1). Diese vereinigten sich 1997 zur AUC (Autodefensas Unidas de Colombia / Vereinigte Bürgerwehren Kolumbiens), einer Art Dachverband.

Die AUC soll (nach eigenen Angaben) etwa ein Drittel des kolumbianischen Kongresses kontrollieren. An ihrer Gründung soll der heutige Präsident Álvaro Uribe maßgeblich beteiligt gewesen sein. Bereits sein Vater war als Drogenhändler für Escobar tätig gewesen. Uribe selbst soll „Chef der Luftfahrt“ Escobars gewesen sein. Die TV-Journalistin Virginia Vallejo, einst Geliebte von Pablo Escobar, legt diese Verbindung in ihrem 2007 veröffentlichten Buch „Pablo lieben, Escobar hassen“ dar. Uribe war demnach für den Ausbau von Flugplätzen in Kolumbien und auf Inseln in der Karibik verantwortlich. Nachdem sein Vater von der FARC ermordet worden war, wurde dessen Leichnam in einem Flugzeug Escobars aus dem Dschungel ausgeflogen. Fragen von Journalisten nach Uribes Verbindung zu Escobar treiben den Politiker deshalb regelmäßig zur Weißglut. Auch sein Hass auf die FARC resultiert vermutlich aus diesem Schlüsselerlebnis. Dennoch, so wurde mir auch heute wieder von dem Escobar-Historiker bestätigt, arbeitet die Regierung Uribe nicht wirklich an der Zerstörung der Guerillagruppe – schließlich würde sie das um die US-Amerikanischen Fördergelder aus dem „Plan Colombia“ bringen. Außerdem benötigt sie einen Sündenbock. Denn wer sonst, wenn nicht die FARC, würde denn dann das ganze Kokain in die Staaten exportieren? Deshalb ist der Regierung Uribe vielmehr an einer Erhaltung des Status Quo gelegen. Wie mein historischer Führer heute immer wieder beteuerte, ist (zumindest Teilen) der Regierung auch absolut bekannt wann, wo und wie die Drogen das Land verlassen. In den meisten Fällen geschieht dies durch die Hände der Paramilitärs, welche im Dienst lokaler Größen, auch politischer stehen. Und dennoch unternimmt die Regierung rein gar nichts gegen sie. Vielmehr beschuldigt sie allein die FARC für den Drogenhandel verantwortlich zu sein.
Um ihre Erfolge im Kampf gegen die FARC zu schönigen betrieb sie in den vergangenen Jahren eine ziemlich schmierige Politik, welche im vergangenen Jahr als „false-positives-Skandal“ bekannt wurde. Um die Zahl der FARC-Opfer zu steigern, entführte die kolumbianische Armee Zivilisten, ermordet sie und steckte sie in FARC-Uniformen. Es sind Fälle bekannt, in denen jungen Studenten Praktikumsplätze versprochen wurden, um sie in Busse zu locken, die sie nie wieder nach hause brachten. Fast 2000 angebliche FARC-Leichen wurden bereits als zivile Opfer identifiziert.
Leidtragende des Konfliktes ist neben der Stadt- auch die Landbevölkerung. Eigentliches Politikum sind nämlich nicht die FARC oder die Drogen, sondern Ländereien. Die Geschichte spielt sich üblicherweise folgendermaßen ab: Rebellen der FARC kreuzen auf einem Gehöft auf und essen des Bauerns Hühner, Gemüse und Früchte. Am Ende drohen sie ihm damit seine Familie zu ermorden, falls er seine Pflanzungen auf Koka umstelle (2). Dann verlassen sie das Gelände wieder und Paramilitärs erscheinen. Diese werfen dem Bauern vor mit der FARC zu kollaborieren und zwingen ihn zum Landverkauf: „Entweder Du nimmst das Geld, oder wir zahlen es Deiner Witwe.“ Auf diese Weise schließen die Paramilitärs große Ländereien zusammen, auf denen später Koka angebaut wird. Allein im Jahr 2007 weiteten sich die Koka-Plantagen um 27 % aus. Wollen sich die Bauern selbst zu einer Community zusammenschließen und Früchte anbauen, erhalten sie dafür von den lokalen Autoritäten, welche in der Regel auch die Paramilitärs stellen, keine Genehmigung. In die Enge getrieben von linker FARC und rechten Paramilitärs bleibt den Bauern oft einfach nur die Flucht. Daraus resultierende Flüchtlingscamps und Schweigemärsche habe ich schon bei Popayan und Cali sehen können.
Seit zwei Tagen ist der Ausschank von Alkohol verboten, denn heute finden hier in Kolumbien Parlamentswahlen statt. Uribes Partei befürchtet einen dramatischen Verlust. Die Menschen begrüßen die neue Sicherheit im Land. Aber das FARC-Argument zieht nicht mehr. Auch das von Uribe ins Leben gerufene Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps. Dabei ist es für die Kolumbianer vermutlich ziemlich egal wer dieses Rennen machen wird, denn von politischer Moral ist ihr Staatsapparat weit entfernt. Der Kauf von Wählerstimmen ist in Kolumbien gängige Praxis. Dabei werden die „Wähler“ von Paramilitärs „überzeugt“. 2010 gab es für das „richtige“ Kreuz zwischen 10 und 70 US-Dollar.

IMG_6046Kogi-Bauern in der Nähe der Ciudad Perdida. Auch sie gehören zu den Leidtragenden des kolumbianischen Krieges um Land, Drogen und Macht.

(1) Im Gegensatz zu den linken Guerillagruppen FARC & ELN sind die rechten  Milizen faschistisch geprägt. Sie sind gegen alles „andersartige“, sprich Homosexuelle, Metall-Fans, Hippies usw.  Selbst ihre eigene Untergliederung und Trennung erfolgt nach der Hautfarbe ihrer Mitglieder: reine Latinos, reine Afrikanos, Latino-Afrikano-Mischlinge etc. Neben der Betreuung von Kokain-Transporten, dem Kampf gegen die FARC und der Einschüchterung von Bauern werden sie auch darauf angesetzt Journalisten, Menschenrechtler und andere Freidenker zu ermorden.
(2) Diese Darstellung erhielt ich von meinem Escobar-Historiker. Natürlich ist bekannt, dass sich auch die FARC unter anderem durch Drogengelder finanzieren. Gestern wurden übrigens 3 Leiter einer großen Supermarktkette verhaftet. Ermittlungen hatten ergeben, dass die FARC Geld in ihr Unternehmen investiert hatte.
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