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Auf Spurensuche im „Land der Feuer“ – Die ersten Pioniere

Feuerland wurde vor knapp 10.000 Jahren von Indianern besiedelt. Aufgrund ihrer nomadischen Lebensweise, lassen sich diese eher mit den Indianer Nordamerikas vergleichen, als mit den Mayas oder Azteken Mittelamerikas. Die Indianer trugen weder Kleider noch Felle. Gegen die Kälte rieben sie sich mit dem Fett von erlegten Robben ein. Als Nahrung dienten Guanacos und Riesenfaultiere (*).
Im Landesinneren lebten die
Selk’nam, auch Onas genannt. Sie fürchteten eine Gruppe Geister, die sich eigentlich aus Mitgliedern ihres eigenen Stammes rekrutierten. Diese „Geister“ traten, mit schauspielerischem Talent bewaffnet, geschminkt und gedresst in bunten Kostümen vor ihre Stammesgenossen und sorgten so für das nötige Maß an „Zucht und Ordnung“ unter den Frauen. Männliche Mitglieder des Stammes mussten sich einer Reifeprüfung unterziehen und gegen einen der Geister antreten – obwohl die Geister als unbesiegbar galten. Schlug sich ein junger Krieger wacker und mutig, wurde er im Angesicht seines Todes von seinem „Gegner-Geist“ begnadigt und in den Geheimbund aufgenommen (**).
An den südlichen Küstenstreifen siedelten die
Yámana. Diese ernährten sich auch von Muscheln. Die Schalen türmten sie vor ihren Zelten zu weißgrauen Bergen auf. Wechselten die Yámana ihren Wohnsitz transportierten sie ihre Feuer auf ihren Kanus. Schwimmen konnten nur die Frauen, weshalb es auch ihre Aufgabe war, die Boote zu parken oder vorzufahren. Da das Wasser auf Feuerland viel zu kalt ist, um es schnell zu trinken, nutzten die Kanalindianer eine Knochenkonstruktion, welche den Lauf des Wassers in den Mund verlangsamt. Fortschrittlich, wie die Yámana waren, erkannten sie schon früh, dass Hausarbeit ein Vollzeitjob ist. Sie bestückten jeden Mann mit zwei Frauen, damit diese sich die Arbeit im Zelt teilen konnten. Um den Hausfrieden zu sichern wurden bevorzugt Schwestern verheiratet.
Der erste Europäer, der Feuerland zu Gesicht bekam, war
Ferdinand Magellan. Als er im Oktober 1520 die nach ihm benannte Magellanstraße entdeckte, welche Feuerland vom südamerikanischen Kontinent trennt, beobachtete er Lagerfeuer, welche der Inselgruppe ihren Namen gaben. (***) Als Magellan das Festland betrat, soll er einem großwüchsigen Tehuelche-Indianer begegnete sein. Der Häuptling trug große Mokassins und Magellan soll gesagt haben: „Ha, Patagon!“. „Pata“ bedeutet im Spanischen „Fuß“, doch das Suffix „gon“ hat keine Bedeutung. Eine andere Erklärung zur Entstehung des Namens Patagonien erscheint deshalb einleuchtender: Magellan führte auf seinem Schiff den damals populären Ritterroman „Primaleon von Griechenland“ mit. In dem Märchen geht es um den Ritter Primaleon und ein Ungeheuer. Das Ungeheuer hat Füße, wie ein Hirsch und wird „Großer Patagon“ genannt. Der Ritter besiegte die Kreatur und nahm sie in seine Heimat mit. Magellan entführte zwei der Riesen-Indianer für Karl V. und seine Kaiserin.
Erste intensivere Untersuchungen Feuerlands stellten die beiden englischen Entdecker
Philip Parker King (1826–1830) und später Robert FitzRoy (1832–1836) an, in dessen Gesellschaft sich auch Charles Darwin befand. Einen ersten Versuch der Besiedlung unternahm der Missionar Allen Gardiner im Jahr 1850. Er ließ sich mit 6 Begleitern in einem Boot im BeagleKanal absetzen. Gewehre hatten die mutigen Pioniere dabei, die Munition aber vergessen. Bei den Indianern besonders beliebt waren süße Kekse. Als diese den Siedlern ausgingen, bekamen sie ernste Schwierigkeiten und die Geschichte nahm einen dramatischen Verlauf. Die Indianer zogen die Siedler an ihren Bärten, woraufhin diese an die gegenüberliegende Bucht flüchteten. Eine Flutwelle verdarb die letzten Konserven. Von Hunger geplagt, erlebten die Gläubigen eine spirituelle Ekstase, deren Beschreibung überlieferten Tagebüchern entnommen werden kann.
Einem weiteren Missionierungsversuch Feuerlands bereitete der
Yámana-Indianer Jemmy Button ein rasches Ende. Dieser war im Zuge einer Expedition von Parker King und Robert FitzRoy nach England verschleppt worden. Als Jemmy wieder nach Feuerland zurück verfrachtet wurde, rächte er sich, in dem er die Angehörigen der Anglikanischen Kirche während ihres ersten morgendlichen Gottesdienstes in ihrer neuen Kapelle erschlug oder steinigte. Jemmy und seine Krieger gingen in die Literaturgeschichte ein.
Von Erfolg gekrönt war hingegen die Missionierung durch Reverend
Thomas Bridges. Dieser hatte bereits auf den Falkland-Inseln die Sprache der Yamana gelernt. Bei seinem Sohn Lukas kehrte sich das Schicksal allerdings um. Lukas ließ sich von den Indianern „missionieren“ und lief zu ihnen über. Über sein Leben bei ihnen schrieb er ein einzigartiges Buch: „The Uttermost Part of the Earth“. In den folgenden Jahren begannen Goldsucher, Schafzuechter und Immigranten die Ureinwohner rigoros zu verdrängen. Rasch waren die Indianer ausgerottet und damit Missionierungen obsolet, so dass weitere Bekehrungsaktivitäten bereits 1916 eingestellt werden konnten.
Ab 1850 diente Feuerland als Strafkolonie, doch für die Stadtentwicklung bedeutsam war der 1902 begonnene Bau des Presidio. Das Gefängnis habe ich mir gestern angesehen. Aus meinem Besuch kann ich schließen, dass die hier internierten Gefangenen ganz bestimmt den gesamten Zorn der argentinischen Regierung zu spüren bekamen. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, ihr eigenes Gefängnis überhaupt erst zu bauen und später zu erweitern. Das Gebäude ist heute ein sternförmiges, 2-geschößiges Museum mit 5 Trakten. Zu den berühmtesten Gefangenen zählten der Tango-Sänger
Carlos Gardel und der Schriftsteller Ricardo Rojas. Die Strafkolonie besaß nie eine Mauer oder auch nur einen Zaun. Wohin sollten die Insassen auch flüchten, am Ende der Welt? Die einzig bekannte erfolgreiche Flucht gelang dem Anarchisten Simón Radowitzky. Er ließ sich von einem Boot im BeagleKanal abholen – kurze Zeit später wurde er allerdings von chilenischen Soldaten aufgegriffen und zurück geschafft.

(*) Riesenfaultiere der Gattung Mylodon, welche auf Feuerland lebten, erreichten eine Länge von 3 m, etwa die Größe eines Stiers. Ihr Gewicht betrug zum Teil mehrere Tonnen. Es gab aber auch wesentlich größere gattungen, welche bis zu 6 m Länge erreichten. Die Höhle eines Riesenfaultiers in Puerto Natales ist eine Hauptattraktion für Touristen.
(**) An dieser Stelle sollte man nicht die Nase über das machoide Verhalten der Männer rümpfen ohne den Marianismo der Geschichte zu kennen: Ursprünglich wurden die Onas nämlich von weiblichen Geistern regiert. Der Schwindel flog aber auf. Die Männer waren so zornig, dass sie alle Geister-Frauen umbrachten und den Spieß umdrehten.
(***) Wenn die Kanalindianer einen gestrandeten Wal fanden, machten sie Feuer, um Stammesmitglieder zu verständigen. Den Rauch dieser Feuer hat Magellan wahrscheinlich gesehen und die Insel zuerst „Tierra del Humo“/ „Land des Rauchs“ genannt. Karl V. soll aber soll erklaert haben, es gebe keinen Rauch ohne Feuer und seit dem heisst die Insel „Tierra del Fuego“.

Quelle: „In Patagonien – Reise in ein fernes Land“, Bruce Chatwin, 1977.

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Die Spuren der Yámana am Strand von Ushuaia: von Gras bewachsene Muschelberge.

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