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Es hat begonnen…

Das schrille Klingeln meines Zimmertelefons bereitete meiner bis dato so friedlichen zweiten Nacht in Madrid ein abruptes Ende. Es war 3 Uhr Morgens. „Mr Knauft? Wir haben einen Flug für sie! In 30 Minuten werden sie abgeholt…“. „Aber ich sollte doch erst Morgen…“. „Ja, aber sie können jetzt schon fliegen!“ Ok, dachte ich mir und versuchte die Lage neu zu bewerten. Dabei trat ich von einem Bein auf das Andere, was sich als mein erster Fehler des Tages herausstellen sollte. Eine etwa 2 cm lange Reißzwecke, welche vielleicht schon seit Wochen in der Tiefe des Teppichs nur auf diesen Moment gewartet hatte, bohrte sich bis zum Anschlag in meinen Fuß. Nun war ich wirklich wach…
Für eine Stunde ging jetzt alles ziemlich schnell. Duschen, Sachen packen, zum Flughafen fahren, erneut Einchecken… und dann drückte plötzlich Jemand auf die „Stoptaste“. „7:00 Boarding time“ war in verheißungsvollen Buchstaben auf dem Monitor über Gate 20 zu lesen. Um 10 Uhr war es dann auch soweit. Das Flugpersonal erschien ausgeschlafen und winkte mich durch. Ein nagelneuer A320 erwartete mich, eine Sitzreihe gehörte mir ganz allein und der Personalchef von „Air Comet“ schien, wie ich, ein Fan von Penelope Cruze zu sein. Wiedereinmal war ich besänftigt.
13 Stunden später riß mich das schier endlose Klatschen meiner Leidensgenossen aus meinem Valiumschlaf. Die Odysee war offenbar zu Ende und die Freude darüber nicht zu ersticken. Selbst als der Airbus bereits stand.
Doch der nächste Schock wartete bereits auf mich. Woher ich Glauben geschöpft hatte, in Buenos Aires tatsächlich meinen Rucksack in Empfang nehmen zu können, weiß ich nicht mehr. Aber nach der Bemerkung der „Air Comet“-Angestellten: „Wir haben hier ein Beschwerdeformular. Und wenn sich ihr Rucksack auffinden sollte, geben wir ihnen gerne Bescheid!“, wäre ich fast über die Theke gesprungen. Oder vor den nächsten Flieger. Was meinte sie damit, „…geben wir ihnen Bescheid.“? Wollte sie eine Flaschenpost in den Atlantik werfen? Egal. Ausrichten ließ sich nichts, also rang ich der Dame ihre private Telefonnummer ab und das Versprechen, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Dann stieg ich in einen Bus Richtung Stadt…
…und von diesem Moment an, begann mein Gehirn all die angestauten Endorphine auszuschütten, die sich dort seit Tagen versammelt hatten. Buenos Aires empfang mich mit einem Lichtermeer. Vorerst war aus meinem schmalen Busfenster nicht viel zu sehen. Wohnblocks gesäumt von weitläufigen Grünanlagen, 4-spurige Straßen auf denen sich Taxis, LKWs und Rostlauben drängten… Dann spuckte mich mein Bus vor dem Hauptbahnhof aus. Und von da an wusste ich wieder, warum ich die ganzen Strapazen auf mich genommen hatte. Mit einem mal war alles wieder da. Buenos Aires sog mich auf, nahm mich ein. Menschen aller Nationalitäten tauchten aus dem Halbdunkel auf, strömten an mir vorbei, alle in Eile auf dem Weg nach Irgendwo. Farbige, Weiße, Indios. Zeitungsverkäufer plärten, Reifen quietschen… Dazu der Duft von gerösteter Maiskolben und gekochtem Hühnchen. Die pulsierende Energie, die Elektrizität dieser Stadt hatte mich gefangen. Das Abenteuer des Unbekannten hatte begonnen.
Gerne wäre ich noch eine Weile dahin getrieben, doch meine erste Gastgeberin wartete bereits auf mich. Die Straßen waren geflutet von schwarzgelben Taxis. Ich schloss die Tür und mein Fahrer stimmte ohne zu zögern in ihr Hupkonzert ein. Kurze Zeit später stand ich vor Annas Tür. Ich bekam ein Küsschen links, ein Küsschen rechts – ihre Mitbewohner taten es ihr gleich. Auch die Jungs – das sei in Argentinien so üblich, versicherte man mir. Zeit zum Verweilen blieb nicht, nicht mal um zu Duschen. Wir waren zum Dinner geladen, auf einer CS-Party. (Exkurs: CS steht für Couch-Surfing. Couch-Surfing basiert auf einem Internet-Netzwerk, angeblich das grösste aktive Online-Netzwerk weltweit. Die Teilnehmer bieten in der Regel ihre Couch zum kostenlosen übernachten an. Eine günstige Alternative also, um dabei gleichzeitig Leute vor Ort kennenzulernen… & wie sich noch herausstellen sollte, ist Annas Wohnung das CS-Headquarter der Stadt. Bei ihr bin ich also ganz offensichtlich in den besten Händen).
Ein paar Bahnstationen später fanden wir uns bei Mell wieder. Mell war dabei Hühnchen und Reis zu kochen. Ihre Haustür blieb sinnvoller Weise gleich offen stehen. Und kaum hatte ich mein erstes Bier in der Hand, da strömten sie auch schon herein, die Intelektuellen und Weltgewandten von BA. Architekten, Möbeldesigner, Dolmetscher, Web-Programmierer, Botschaftsmitarbeiter… aus Frankreich, Österreich, der Schweiz, Bolivien, Venezuela, Kanada und, und, und… alle zwischen 25 und 35, alle mit interessanten Biografien, großen Träumen, hohen Idealen… alle höflich, wissbegierig, diskussionsfreudig, aufmerksam… eine bunte Mischung junger Menschen auf einer Dachterrasse über dem strahlenden BA. Und ich mittendrin, vertieft in ein Gespräch mit Fabian… Fabian Apple hat die letzten 12 Jahre auch beim MDR gearbeitet. Familientagesprogramm. Vor einem halben Jahr hat er seinen Job an den Nagel gehängt und ist nach BA gezogen, um hier zu arbeiten. In BA gäbe es mehr als 1 Million Deutschstämmige, die Geschichten lägen nur so auf der Straße. Kontakt zu dt. Fernsehsendern hält er über eine Webseite, wo er seine Beiträge anteasert… alles noch im Aufbau begriffen, beschwichtig er, doch ich bin beeindruckt…

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One Response

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  1. Paps says

    Das hat ja gut angefangen. Nun sind wir mal gespannt wie das weitergeht.